Doppelt genäht hält besser, oder: die Restroom Singers können auch zwei Tea-Times an einem Wochenende stemmen

Foto: Marion Speckner-Ziemer

Mitunter geraten selbst Routiniers wie wir bei der Terminplanung etwas ins Schleudern. War es seit kurzem so, dass wir eine Tea Time in Meiderich und eine zweite am darauffolgenden Sonntag in Neukirchen-Vluyn veranstalteten, machte uns ausgerechnet im Jahr unseres 35. Geburtstags der Chorverband der Deutschen Polizei einen Strich durch die Rechnung, da der Bundesdelegiertentag am mittleren Märzwochenende stattfinden sollte. In den folgenden Wochen wären wir einerseits in die Osterferien gerutscht und andererseits hatte unser „mitwirkendes Mitglied“, der kongeniale Pianist Martin Fratz angekündigt, dass er ab Mitte März die Traumschiffpassagiere bei ihrer Atlantiküberquerung „betasten“ würde. Was also tun?

Kurzerhand entschlossen wir uns, getreu der Maxime „öfter mal was Neues“ beide Konzerte bereits am zweiten Wochenende im März, also samstags und sonntags zu veranstalten. Unsere intensive Probenvorbereitung ließ uns den Auftritten so optimistisch entgegensehen, dass es uns nicht einmal schockierte, als unser Chorleiter, Musikdirektor Axel Quast, für die letzte Probe vor den Konzerten erkrankt absagen musste. Wir trafen uns also trotzdem und übten die a-capella-Stücke ohne ihn, und dies verlief so gut, dass ich nach dem vierten Lied aufsprang, die Hände über dem Kopf zusammenschlug und sagte: „Hier wird es mir unheimlich! Wer seid ihr?!“ Dennoch waren wir natürlich froh, die Konzerte mit unserem künstlerischen Leiter bestreiten zu können.

Kennen Sie Anemoi? Das ist der Name des aus fünf 17-18jährigen Jugendlichen bestehenden Bläserquintetts, das wir als Gastkünstler verpflichtet hatten, um unseren Besuchern einen außergewöhnlichen Ohrenschmaus bieten zu können. Der Name brachte mich wahrscheinlich ebenso ins Grübeln wie unser Ensemblename andere Leute. Ich gab also meiner Neugierde nach und fand heraus, dass Anemoi der Name der griechischen Götter des Windes war, von denen einer auch auf einer Muschel blies. Glücklicherweise benutzten unsere „Windgötter“ moderne Instrumente, und was sie von sich gaben, riss unsere Besucher (und auch uns) zu Beifallstürmen hin. Seien es populäre moderne Melodien wie „Tico-Tico Bird in the Commal“ oder das „Pink Panther-Theme“ oder Klassiker wie der „Abendsegen“ aus Hänsel und Gretel – Anemoi begeisterte die Besucher, und alle Anwesenden waren sich einig, dass bei solch musikalischem Nachwuchs die deutsche Kulturszene noch nicht verloren ist.

Beim Nachdenken über das Alter unserer musikalischen Gäste stellte ich fest, dass sie mittlerweile durchaus meine Enkel und Enkelinnen sein könnten. Dementsprechend passte es, dass wir zur Gaudi des Publikums „Wir sind die alten Säcke“ vortrugen. Doch nicht nur dieses Lied, bei dem etlichen Besuchern die Lachtränen kamen, fand ihren Anklang. Auch die Reaktion auf andere bekannte Lieder wie „Only you“, „La Montanara“, „Stand by me“ oder „Männer“ zeigte, dass wir erneut den Geschmack des Publikums getroffen hatten. Besonderes emotionales Highlight war jedoch das von Martin Fratz begleitete Solo von Michael Erb, der das Lied des Jean Valjean „Bring him home“ aus „Les Miserables“ derart innig und gefühlvoll vortrug, dass nicht nur etliche Besucher verstohlen nach ihren Taschentüchern griffen, sondern es auch einigen von uns schwerfiel, nach seinem Vortrag den Kloß aus dem Hals herauszubekommen.

Jörg Ziemer

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